Die Requests for Comments (RFC; englisch für „Bitte um Kommentare“) sind eine Reihe technischer und organisatorischer Dokumente zum Internet (ursprünglich Arpanet), die seit dem 7. April 1969 vom RFC-Editor herausgegeben werden. Handelte es sich ursprünglich um im Wortsinne zur Diskussion gestellte Dokumente, so findet die Diskussion heute während der Erstellung der Entwürfe statt, sodass ein veröffentlichtes RFC in der Regel eine begutachtete technische Spezifikation darstellt.[1]

Einige RFCs, jedoch nicht alle, stellen Internetstandards dar.[2] RFCs standardisieren die Internetprotokollfamilie, beispielsweise IPv6 (RFC 8200[3]), TCP (RFC 793[4]), UDP (RFC 768[5]), SMTP (RFC 5321[6]) und HTTP/2 (RFC 7540[7]), und bilden damit die technische Grundlage von Internetanwendungen wie E-Mail oder dem World Wide Web.

Publikationsverfahren

Alle RFCs werden vor der Veröffentlichung einer Begutachtung unterzogen. Der Veröffentlichungsprozess und die darin vorgegebenen Anforderungen unterscheiden sich, je nachdem ob ein Internetstandard angestrebt wird oder nicht. Werdende Internetstandards müssen hohe Anforderungen erfüllen und einen Gemeinschaftskonsens der Internet Engineering Task Force (IETF) darstellen.

Alle eingereichten Entwürfe werden von der IETF unter der Bezeichnung „Internet-Draft“ (I-D) im Internet veröffentlicht. Internet-Drafts gelten als unfertig und sollen nicht als Referenz verwendet werden. Sie verfallen nach Ablauf von sechs Monaten (bleiben jedoch weiterhin online archiviert), es sei denn es wird eine neue Entwurfsversion eingereicht oder der Publikationsprozess angestoßen.

Neue RFCs gibt der RFC-Editor mit einer fortlaufenden Nummerierung als ASCII-Textdatei sowie in weiteren Dokumentenformaten heraus. Sobald ein RFC veröffentlicht ist, wird der Inhalt nie mehr verändert. Korrekturen von editoriellen oder technischen Fehlern werden als Errata veröffentlicht; das fehlerhafte RFC bleibt jedoch unverändert bestehen. Soll eine veraltete Spezifikation abgelöst werden, so durchläuft die neue Spezifikation den üblichen Prozess und wird unter einer neuen RFC-Nummer veröffentlicht. Das neue Dokument referenziert das alte RFC und erklärt es für obsolet. Ein neues RFC kann auch nur einen Teilaspekt eines bestehenden RFCs aktualisieren oder ergänzen, ohne dabei das gesamte Dokument zu invalidieren.

Dokumentenreihen

Ausgewählte RFCs werden zugleich in weiteren Dokumentenreihen mit jeweils eigenen Nummerierungen veröffentlicht.

Internet Standard (STD)
Internetstandards mit dem höchsten Reifegrad werden zusätzlich in der Dokumentenreihe STD veröffentlicht.
Best Current Practice (BCP)
Die Reihe BCP wurde 1995 für RFCs eingeführt, die technische Informationen oder administrative Vorgaben enthalten, die von der IETF gebilligt werden. Damit unterscheiden sich BCPs von rein informativen RFCs, zu denen die IETF keine Position bezieht. Die Veröffentlichung als Internetstandard scheidet hierbei aus, da es sich bei BCPs nicht um Netzwerkprotokolle handelt.[8]
For Your Information (FYI)
Die Reihe FYI wurde 1990 eingeführt, um informative RFCs einem breiten Publikum bekannt zu machen, das ausdrücklich auch Anfänger umfasst.[9] Die Reihe wurde 2011 eingestellt.[10]

Einzelne RARE Technical Reports (RTR) wurden auch als RFC veröffentlicht.[11]

Genehmigungsverfahren

Es gibt unterschiedliche Genehmigungsverfahren für RFCs, je nachdem woher das Dokument stammt. Ein solches Verfahren wird als Stream bezeichnet. RFC 4844 definiert die folgenden Streams:[12]

IETF
Das Dokument stammt entweder von einer Arbeitsgruppe der IETF oder von einem Bereichsleiter (Area Director) der Internet Engineering Steering Group. Dieser Stream ist der einzige, der werdende Internetstandards und Best Current Practices einreichen darf. RFC 2026[13] und weitere beschreiben das Verfahren.
IAB
Das Dokument stammt vom Internet Architecture Board. RFC 4845[14] beschreibt das Verfahren.
IRTF
Das Dokument stammt von der Internet Research Task Force. RFC 5743[15] beschreibt das Verfahren.
Independent Submission
Das Dokument stammt von einem unabhängigen Beitragenden, der es direkt beim RFC-Editor einreicht. Es wird kein technischer Konsens innerhalb der IETF benötigt, wodurch eine Veröffentlichung als Internetstandard ausgeschlossen ist. RFC 4846[16] beschreibt das Verfahren.

RFC-Status

Jedes RFC besitzt einen Dokumentenstatus, der im Gegensatz zum Inhalt nachträglich verändert werden kann.

Unknown (unbekannt)
Dem RFC ist kein Status zugeordnet. Dies trifft auf einige frühe RFCs zu.
Draft (Entwurf)
Kein RFC, da noch im Entwurfsstadium.
Informational (informativ)
Informatives Dokument jeglicher Art, beispielsweise Terminologie-Erklärungen, Nutzungshinweise, Problemstellungen oder neue Ideen. Vereinzelt kommen auch Antworten auf allgemeine Fragen oder Nachrufe vor.
Experimental (experimentell)
Protokollspezifikation, die als Teil eines Forschungs- oder Entwicklungsvorhaben entstand. Der Zweck ist es, innerhalb der Netzgemeinde weitere Erfahrung zu sammeln, um auf dieser Basis in der Zukunft ggf. einen Internetstandard zu entwerfen. Beispielsweise begann das Sender Policy Framework als experimentelles RFC 4408[17] und kam mit RFC 7208[18] in das Standardisierungsverfahren.
Best Current Practice (beste gegenwärtige Praxis)
Ein technisches Dokument, das durch Veröffentlichung in der Dokumentenreihe BCP einen verbindlichen Charakter erhält.
Proposed Standard (vorgeschlagener Standard), Draft Standard (Standardisierungsentwurf) und Internet Standard
Verschiedene Reifegrade eines Internetstandards. Proposed Standards sind Spezifikationen, die eine rigorose Begutachtung und Konsensfindung der entsprechenden IETF-Arbeitsgruppe durchlaufen haben. Draft Standard wird nicht länger als Status verwendet.[19] Internet Standards haben die höchste Reife und werden zusätzlich in der Dokumentenreihe STD veröffentlicht.
Historic (historisch) und Obsolete (überholt)
Veraltete Spezifikationen werden von der IESG als Historic gekennzeichnet, wenn ihre Verwendung nicht mehr empfohlen ist. Wird eine Spezifikation durch ein neues RFC abgelöst, wird hingegen der Status Obsolete verwendet. Letzteres hat den Zweck überholte Spezifikationen zu kennzeichnen, die aber weiterhin relevant sind, etwa weil sie noch verbreitet sind.

Formalismus

Die IETF und der RFC-Editor legen einen hohen Wert auf Formalismus:

  • Vorschläge für neue oder geänderte RFCs werden in allen Änderungen vor der formellen Veröffentlichung nachvollziehbar dokumentiert.
  • Ein einmal abschließend veröffentlichter RFC ist für immer öffentlich und fest. Er kann auch nicht korrigiert, sondern nur durch neuere RFCs abgelöst werden.
  • Die Struktur und der Stil eines RFCs sind durch RFC 7322 vorgegeben.[20]
  • RFC 2119[21] (BCP 14) legt die Terminologie von Anforderungen fest, die in ihrer Bedeutung klar definiert sind, um Missverständnisse in deren Interpretation zu vermeiden.
    • MUST und MUST NOT (äquivalent: SHALL und SHALL NOT) geben an, dass eine Anforderung zwingend eingehalten werden muss.
    • SHOULD und SHOULD NOT (äquivalent: RECOMMENDED und NOT RECOMMENDED) geben an, dass eine Anforderung empfohlen ist, aber in begründeten Fällen davon abgewichen werden kann.
    • MAY (äquivalent: OPTIONAL) gibt eine Option an, die im eigenen Ermessen des Herstellers umgesetzt werden kann.
  • Zeichenketten und ihre Zusammensetzung werden formalistisch mittels der Backus-Naur-Form (BNF) dargestellt. Dies sorgt für eine eindeutige Interpretation, hilfreich zum Beispiel beim Aufbau von URLs und URIs.

All diese Formalismen sorgen für die Vermeidung von Missverständnissen in der Interpretation und Implementierung und somit für den Erfolg beim Betrieb des Internets. Als Beispiele hierfür und gleichermaßen für ihren Erfolg seien RFC 2822[22] (E-Mail) sowie RFC 2616[23] (HTTP) genannt.

Humor in RFC

Zwischen den RFCs, die Internetstandards oder Best Current Practices beschreiben, finden sich auch immer wieder scherzhafte RFCs, die nicht buchstabengetreu genommen werden sollten, oft aus Anlass des 1. April.

  • Das am 1. April 1996 veröffentlichte RFC 1925[24] listet The Twelve Networking Truths auf, die mit dem fundamentalen Grundsatz It Has To Work beginnen.
  • Als Parodie auf das Routing-Protokoll MPLS findet sich in RFC 3251[25] das Mostly Pointless Lamp Switching.
  • RFC 2795[26] beschäftigt sich mit dem Infinite-Monkey-Theorem und beschreibt, wie eine unendliche Anzahl von Affen koordiniert werden kann, die die Werke von Shakespeare produzieren sollen.
  • Aber auch echte Kunstwerke lassen sich ausmachen, so zum Beispiel eine Lobeshymne auf das Arpanet (RFC 527[27]), Wissenschaftsgeschichte in Versform (RFC 1121[28]) oder The Twelve Days of Christmas aus der Sicht eines gestressten Netzwerk-Admins (RFC 1882[29]).
  • Am 1. April 2001 wurden im RFC 3092[30] die Kombinationen von „foo“ und „bar“ bzw. deren Abarten etymologisch bestimmt.
  • Am 1. April 2003 wurde ein RFC (RFC 3514[31]) veröffentlicht, das dazu aufruft, bei IP-Paketen, die in irgendeiner Form „evil“ (böse) sind, ein entsprechendes Bit im Header zu setzen, um diese Pakete an Firewalls leichter ausfiltern zu können. Dies rührt daher, dass in IPv4-Headern ein Bit, das den „Type of Service“ angibt, normalerweise mit 0 gesetzt ist, von einigen modernen Anwendungen jedoch mit 1 gesetzt wird. Einige Firewalls verlassen sich darauf, dass dieses 0 ist, und stufen das Paket eben als böse ein, da es einen nicht-unterstützten Service-Typ darstellt.
  • Am 1. April 2004 wurde ein Allwissenheitsprotokoll entwickelt, das es der amerikanischen Regierung ermöglichen sollte, alle Formen der Computerkriminalität zu erkennen und zu verhindern (RFC 3751[32]). Nachdem sich die Anforderungen an dieses Protokoll als nicht durchführbar erwiesen hatten, endet der Text mit den Worten: „Good luck.“
  • Am 1. April 2005 wurde ein neuer Standard vorgestellt, welcher moralisch einwandfreies Routing ermöglicht (RFC 4041[33]). Des Weiteren wurde das schon sehr in die Jahre gekommene UTF-8, das 8 Bit breite Einheiten verwendet, durch UTF-9 ersetzt, das 9 Bits (3 × 3) pro Byte erlaubt (RFC 4042[34]).
  • Am 1. April 2007 wurde eine Methode für die Übertragung von IP über das Winkeralphabet vorgestellt (RFC 4824[35]).
  • Am 1. April 2010 wurde das Transmission Control Protocol erweitert: Die Laune des übertragenen Segments kann durch Emoticons im Header festgelegt werden. So kann ein Segment beispielsweise fröhlich oder frustriert sein (RFC 5841[36]).

Realisierte Aprilscherze

Nicht immer jedoch bleibt es bei RFC zum 1. April bei der Theorie. So wurde am 6. März 2001 eine Implementierung des RFC 1149 A Standard for the Transmission of IP Datagrams on Avian Carriers (die Übertragung von IP-Datagrammen per Brieftaube)[37] vorgestellt. Die durchschnittliche Antwortzeit eines Pings betrug jedoch 45 Minuten, so dass nicht mit einer regelmäßigen Nutzung im Echteinsatz zu rechnen sein wird. Allerdings führte dies zu einer Weiterentwicklung RFC 2549 IP over Avian Carriers with Quality of Service,[38] aber auch dieser Einsatz ist unwahrscheinlich.

Der Editor Emacs enthält schon seit Jahren eine vollständige Implementierung von RFC 2324:[39] Das Hyper Text Coffee Pot Control Protocol (HTCPCP) dient der Fernsteuerung und -überwachung von Kaffeemaschinen. Am 1. April 2014 wurde das Protokoll mit dem RFC 7168[40] um die Nutzung von Tee erweitert.

Auch für das Pi Digit Generation Protocol gibt es mit gpigen eine freie Implementierung für mehrere Plattformen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. H. Flanagan: RFC 8700 – Fifty Years of RFCs. Dezember 2019 (englisch).
  2. C. Huitema, J. Postel, S. Crocker: RFC 1796 – Not All RFCs are Standards. April 1995 (englisch).
  3. RFC 8200 – Internet Protocol, Version 6 (IPv6) Specification. Juli 2017 (englisch).
  4. RFC 793 – Transmission Control Protocol. September 1981 (englisch).
  5. Jon Postel: RFC 768 – User Datagram Protocol. 28. August 1980 (englisch).
  6. RFC 5321 – Simple Mail Transfer Protocol. Oktober 2008 (englisch).
  7. RFC 7540 – Hypertext Transfer Protocol Version 2 (HTTP/2). Mai 2015 (englisch).
  8. RFC 1818 – Best Current Practices [Errata: RFC 1818]. August 1995 (englisch).
  9. RFC 1150 – FYI on FYI [Errata: RFC 1150]. März 1990 (englisch).
  10. R. Housley: RFC 6360 – Conclusion of FYI RFC Sub-Series. August 2011 (englisch).
  11. RTR Index. RFC-Editor, abgerufen am 26. Dezember 2019 (englisch).
  12. RFC 4844 – The RFC Series and RFC Editor. Juli 2007 (englisch).
  13. RFC 2026 – The Internet Standards Process – Revision 3. Oktober 1996 (englisch).
  14. RFC 4845 – Process for Publication of IAB RFCs. Juli 2007 (englisch).
  15. RFC 5743 – Definition of an Internet Research Task Force (IRTF) Document Stream. Dezember 2009 (englisch).
  16. RFC 4846 – Independent Submissions to the RFC Editor. Juli 2007 (englisch).
  17. RFC 4408 – Sender Policy Framework (SPF) for Authorizing Use of Domains in E-Mail, Version 1. April 2006 (englisch).
  18. RFC 7208 – Sender Policy Framework (SPF) for Authorizing Use of Domains in Email, Version 1. April 2014 (englisch).
  19. R. Housley, D. Crocker, E. Burger: RFC 6410 – Reducing the Standards Track to Two Maturity Levels. Oktober 2011 (englisch).
  20. RFC 7322 – RFC Style Guide. September 2014 (englisch).
  21. RFC 2119 – Key words for use in RFCs to Indicate Requirement Levels. März 1997 (englisch).
  22. RFC 2822 – Internet Message Format. April 2001 (englisch).
  23. RFC 2616 – Hypertext Transfer Protocol – HTTP/1.1. Juni 1999 (englisch).
  24. RFC 1925 – The Twelve Networking Truths. 1. April 1996 (englisch).
  25. RFC 3251 – Electricity over IP. 1. April 2002 (englisch).
  26. RFC 2795 – The Infinite Monkey Protocol Suite (IMPS). 1. April 2000 (englisch).
  27. RFC 527 – ARPAWOCKY. 22. Juni 1973 (englisch).
  28. RFC 1121 – Act One – The Poems. September 1989 (englisch).
  29. RFC 1882 – The 12-Days of Technology Before Christmas. Dezember 1995 (englisch).
  30. RFC 3092 – Etymology of “Foo”. 1. April 2001 (englisch).
  31. RFC 3514 – The Security Flag in the IPv4 Header. 1. April 2003 (englisch).
  32. Scott Bradner: RFC 3751 – Omniscience Protocol Requirements. 1. April 2004 (englisch).
  33. RFC 4041 – Requirements for Morality Sections in Routing Area Drafts. 1. April 2005 (englisch).
  34. RFC 4042 – UTF-9 and UTF-18 Efficient Transformation Formats of Unicode. 1. April 2005 (englisch).
  35. RFC 4824 – The Transmission of IP Datagrams over the Semaphore Flag Signaling System (SFSS). 1. April 2007 (englisch).
  36. RFC 5841 – TCP Option to Denote Packet Mood. 1. April 2010 (englisch).
  37. RFC 1149 – A Standard for the Transmission of IP Datagrams on Avian Carriers. 6. März 2001 (englisch).
  38. RFC 2549 – IP over Avian Carriers with Quality of Service. (englisch).
  39. RFC 2324 – Hyper Text Coffee Pot Control Protocol (HTCPCP/1.0). 1. April 1998 (englisch).
  40. RFC 7168 – The Hyper Text Coffee Pot Control Protocol for Tea Efflux Appliances (HTCPCP-TEA). 1. April 2014 (englisch).